Ablauf eines Konjunkturzyklus

Für die Festlegung der langfristigen Erwartungen wird gewöhnlich die Trendwachstumsrate herangezogen. Die langfristigen Erwartungen an den Kapitalmarkt spielen vor allem bei der strategischen Portfolio-Aufstellung eine Rolle.

Langfristig gleichen sich normalerweise Abweichungen von der Trendwachstumsrate durch den Konjunkturzyklus aus. Um kurzfristige Einschätzungen abzugeben, kann es allerdings durchaus sinnvoll sein die aktuellen Abweichungen von der Trendwachstumsrate zu erkennen. Schwankungen des Wirtschaftswachstums über kurze bis mittlere Zeithorizonte werden häufig mit dem Konjunkturzyklus in Verbindung gebracht.

Kurzfristige Einschätzungen werden genutzt, um im Rahmen der taktischen Portfolio-Aufstellung Abweichungen von der strategischen Portfolio-Aufstellung vorzunehmen. Das Ziel dieser Abweichungen ist die Erzielung einer höheren Rendite gegenüber jener der strategischen Portfolio-Aufstellung.

Ein wesentlicher Grund, warum die Wirtschaftstätigkeit zyklisch ist, liegt in der Natur von Unternehmensentscheidungen. Die Entscheidungsträger verteilen die Ressourcen auf die – angenommenen – wertvollsten Verwendungszwecke. Vollständige Sicherheit darüber haben sie allerdings nicht. Darüber hinaus brauchen Anpassungen an unerwartete Ereignisse Zeit, um umgesetzt zu werden. Ebenso ist die Umkehrung falscher Entscheidungen oftmals kostspielig.

Das Verständnis der Konjunkturphasen ist wichtig für die Bildung von Deinen Erwartungen an den Kapitalmarkt. Folgende Schwierigkeiten stellen sich allerdings:

  • Konjunkturzyklen unterscheiden sich in ihrer Dauer und Intensität. Die jeweiligen Wendepunkte sind schwer vorherzusagen.
  • Es kann schwierig sein, zu unterscheiden, welche Effekte aus kurzfristigeren Faktoren resultieren, die sich aus dem Konjunkturzyklus ergeben, und welche mit längerfristigen Faktoren zusammenhängen, die die Trendrate des Wirtschaftswachstums beeinflussen.
  • Die Renditen auf dem Kapitalmarkt stehen in engem Zusammenhang mit der Aktivität in der Realwirtschaft, hängen aber auch von Faktoren wie den Erwartungen und der Risikotoleranz der Anleger ab.

Die Konjunkturanalyse ist am nützlichsten, um Chancen innerhalb des Zeithorizonts eines typischen Konjunkturzyklus zu erkennen. Bei längeren Anlagehorizonten, die wahrscheinlich einen oder mehrere vollständige Konjunkturzyklen umfassen, sind Informationen über den aktuellen Zustand der Wirtschaft weniger wertvoll.

Phasen eines Konjunkturzyklus

Nachfolgend werden die allgemeinen Beziehungen zwischen Zinssätzen, Inflation, Aktien- und Anleihekursen im Verlauf des Konjunkturzyklus dargestellt.

Wenn sich zum Beispiel der Höhepunkt des Zyklus nähert, läuft alles wie geschmiert. Das Vertrauen und die Beschäftigung sind hoch, aber die Inflation beginnt, sich auf die Märkte auszuwirken. Mit zunehmender Inflation steigen die Anleiherenditen, und sowohl die Anleihe- als auch die Aktienkurse beginnen zu fallen.

Der Konjunkturzyklus lässt sich in fünf Phasen unterteilen: Anfänglicher Aufschwung, frühe Expansion, späte Expansion, Abschwächung und Kontraktion. Die Phasen weisen jeweils spezifische Merkmale auf:

Anfänglicher Aufschwung

Der anfängliche Aufschwung dauert gewöhnlich einige Monaten. Das Vertrauen der Unternehmen beginnt zuzunehmen. Oftmals gibt es staatliche Anreize durch niedrige Zinssätze (vergleiche Geldpolitik) und/oder Haushaltsdefizite (vergleiche Finanzpolitik). Zumeist verlangsamt sich die Inflation. Geprägt ist diese konjunkturelle Phase dazu von großen Produktionslücken, niedrigen oder sinkenden kurzfristigen Zinssätze.

Für den Kapitalmarkt bedeutet dies regelmäßig eine Bodenbildung bei den Anleiherenditen und steigende Aktienkurse. Insbesondere zyklische, risikoreichere Anlagen wie Small-Cap-Aktien und hochverzinsliche Anleihen entwickeln sich gut.

Frühe Expansion

Die frühe Expansion dauert gewöhnlich von einem Jahr bis zu mehreren Jahren. Sie ist geprägt von steigendem Wachstum bei niedriger Inflation. Das Vertrauen der Unternehmen nimmt weiter zu. Oftmals geht dies mit steigenden kurzfristige Zinssätzen einher. Die Produktionslücke verringert sich.

Für den Kapitalmarkt bedeutet dies regelmäßig stabile oder steigende Anleiherenditen und steigende Aktienkurse.

Späte Expansion

Die späte Expansion ist gewöhnlich geprägt von einem hohes Vertrauen der Wirtschaftsakteure an die konjunkturelle Entwicklung und von einem hohen Beschäftigungsstand. Die in früheren Phasen existente Produktionslücke ist beseitigt und die Wirtschaft droht zu überhitzen. Dies geht einher mit einem steigendem Inflationstempo, einer Überschätzung der Nachfrage und einer Überakkumulation von Kapital. Als Folge dessen begrenzt die Zentralbank gewöhnlich mit ihrer Geldpolitik das Wachstum der Geldmenge.

Für den Kapitalmarkt bedeutet dies regelmäßig steigende kurzfristige Zinssätze, steigende Anleiherenditen und steigende Aktienkurse (ggf. erreichen sie in dieser Phase ihren Höhepunkt) mit erhöhtem Risiko und hoher Volatilität.

Verlangsamung

Die konjunkturelle Phase der Verlangsamung dauert gewöhnlich ein paar Monate bis zu einem Jahr. Sie ist geprägt von einem schwindenden Vertrauen der Wirtschaftsakteure. Die Inflation erhöht sich stetig weiter.

Für den Kapitalmarkt bedeutet dies regelmäßig Höchststände bei kurzfristige Zinssätzen. Ebenso erreichen die Renditen von festverzinslichen Wertpapieren Höchststände. Es kann im Anschluss zu einem Rückgang der Renditen der festverzinslichen Wertpapiere kommen. Dies führt dann zu steigenden Anleihekursen. Es kann auch dazu kommen, dass kurzfristige Zinssätze die langfristigen Zinssätze übersteigen (hier wird gut beschrieben was das bedeutet). Gewöhnlich geht die Verlangsamung auch mit fallenden Aktienkursen einher.

Schrumpfung

Die konjunkturelle Phase der wirtschaftlichen Schrumpfung dauert gewöhnlich 12 bis 18 Monaten. Sie ist geprägt von einem sinkenden Vertrauen der Wirtschaftsakteure und sinkenden Gewinnen der Unternehmen. Es kommt gewöhnlich zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Ebenso ist diese Phase von Insolvenzen von Unternehmen geprägt.

Die Inflation erreicht oftmals ihre Höchststände.

Für den Kapitalmarkt bedeutet diese Phase sinkende kurzfristige Zinssätze (Unternehmen fragen wegen geringem Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung wenige Kredite nach). Für die festverzinslichen Wertpapiere bedeutet dies sinkende Renditen und damit steigende Kurse. Es kommt oftmals in der letzten Phase, in der Erwartung des Endes der Rezension, bereits wieder zu steigenden Aktienkursen.