Der Euro stürzt massiv gegenüber dem US-Dollar ab! Warum ist das so?

Der Euro zuletzt gegenüber dem US-Dollar den tiefsten Stand seit fast 20 Jahren erreicht. Nachfolgend erkläre ich, wie dies mit der Zentralbankpolitik der EZB und der FED zusammenhängt und was das für die zukünftige Entwicklung von Inflation und Geldanlage bedeutet.

Quelle: Tagesschau.de; 29.04.2022

Entscheidend für die Entwicklung von Wechselkursen sind vier Faktoren:

  • Nominal-Zinsniveau
  • Inflationsniveau
  • wirtschaftliche Stärke des Währungsraumes
  • Interventionen der Zentralbanken

Wenn es im US-Dollar-Währungsraum höhere Zinsen gibt, als im Euro-Währungsraum, dann steigert dies den Anreiz in US-Dollar sein Geld anzulegen. Wenn es im US-Dollar-Raum eine höhere Inflation gibt als im Euro-Raum, senkt dies den Anreiz sein Geld in US-Dollar anzulegen. Wenn man für sein Geld weniger bekommt als zuvor, ist das zweifelsfrei negativ.

Diese beiden Faktoren kann man zusammennehmen und auf den Realzins schauen. Also auf den Zinssatz minus der (erwarteten) Inflation. Wenn der Realzins im US-Dollar-Raum höher ist als im Euro-Raum steigt der Anreiz sein Geld in US-Dollar anzulegen.

Wenn in einem Währungsraum ein stärkeres Wirtschaftswachstum erwartet wird, dann sind die Investitionschancen in diesem Währungsraum höher als in dem anderen Wirtschaftsraum. Dies zieht Kapital an und stärkt den Währungsraum mit dem höheren (erwarteten) Wirtschaftswachstum.

Wenn die Zentralbank des Euro-Währungsraumes US-Dollar verkauft, um Euros zu kaufen, steigert dies den Wert des Euros.

Kapitalmärkte agieren aufgrund von Erwartungen und versuchen die Zukunft zu prognostizieren. Eine Zentralbank stärkt das Vertrauen in die eigene Währung gegenüber einer anderen, in dem sie nicht zulässt, dass die Inflation zu sehr steigt und der Realzins niedriger ist als in einem anderem Währungsraum.

Das kumulierte Ergebnis der Prognosen des Kapitalmarktes bezüglich der Nominalzinsentwicklung wird deutlich durch eine Analyse von Futures. Futures sind Terminkontrakte. Sie verpflichten den Verkäufer dazu ein gewisses Gut an einem bestimmten Zeitpunkt zu liefern und den Käufer ein Gut an einem bestimmten Zeitpunkt zu einem festgesetzten Preis zu kaufen. Sie werden an den Börsen gehandelt. Mit ihnen ist es möglich zu sehen, welche Meinung die Marktteilnehmer zu einer zukünftigen Zinsentwicklung haben. Wenn Futures zeigen, dass die Kapitalmarktteilnehmer zu dem Ergebnis kommen, dass der Leitzins der Zentralbank zum Jahresende 1% höher liegt als zurzeit, dann hat die Zentralbank effektiv vermittelt, dass es in der Zukunft Zinssteigerungen um circa 1% geben wird.

Was bedeutet das nun für die Währungsentwicklung? Wenn der Kapitalmarkt erwartet, dass das (Real-)Zinsniveau zum Jahresende in der einen Währung höher sein wird als in der anderen Währung, dann profitiert die Währung mit dem höheren erwarteten Zinsniveau.

Wenn das Agieren der Zentralbanken sich unterscheidet (bei einem gleichen Inflationsniveau) wird sich der Währungskurs verändern.

Aktuell preisen die Märkte für den US-Dollar-Raum zum Jahresende ein Zinsniveau von 3 – 3,25% ein. Für den Euro-Raum preisen die Märkte allerdings nur eine Zinssteigerung von unter einem Prozent ein. Das Zinsniveau im Euro-Raum würde dann auf circa 0,5% (aktuell ist es negativ) steigen.

Im April lag die Inflation in der Eurozone bei 7,5% und in den USA bei 6,6%. Wenn das Inflationsniveau zum Jahresende auf demselben Niveau bleiben würde, liegt der Realzins in den USA bei circa – 3,35% bis – 3,6%. In der Eurozone hingegen bei – 7%.

Diese Erwartungen werden zeitnah in die Entwicklung der Wechselkurse eingepreist. Dies ist zusammen genommen mit der gefährdeten wirtschaftlichen Entwicklung in Europa durch den Krieg Russlands gegenüber der Ukraine eine starke Erklärung dafür, warum der Euro gegenüber dem US-Dollar zurzeit massiv an Wert verliert.

Bedenken sollte man auch, dass höhere Nominalzinsen das Inflationswachstum begrenzen können.

Solange die EZB dem Kapitalmarkt nicht glaubhaft vermitteln kann, dass sie etwas gegen die immer höhere Inflation tun wird (so wie die amerikanische FED es so langsam begonnen hat), wird der Euro es gegenüber dem US-Dollar schwer haben.

Was bedeutet das? Das bedeutet, dass alle Importe von Gütern, die in US-Dollar gehandelt werden für den Konsumenten im Euro-Währungsraum teurer werden. Beispielsweise Roh-Öl (was wiederum zu steigenden Benzinpreise in Euro im Euro-Währungsraum führt). Aber auch für die Geldanlage hat das Implikationen, wenn man Geld in US-Dollar angelegt hat, dann verzeichnet man (in Euro gerechnet) einen Währungsgewinn (der zu versteuern ist…).

Höhere Importpreise treiben dann wiederum die Inflation im Inland. Ein Teufelskreislauf.

Der Wohlstand im Euro-Währungsraum wird von der EZB massiv aufs Spiel gesetzt. Jeder, der Geld in nominalen Werten auf Euro hält, wird arg in Mitleidenschaft gezogen. Ein realer Wertverlust von 7% bedeutet, dass die eigene Kaufkraft innerhalb von 10 Jahren sich fast halbiert.

Was kann man dagegen tun? Eine persönlich optimale Portfolioaufstellung baut diese Erwartungen an den Kapitalmarkt im Rahmen der strategischen wie auch der taktischen Portfolioaufstellung ein. Im Zuge dieser strategischen – also langfristigen – wie auch taktischen – also kurzfristigen – Portfolioaufstellung werden Erwartungen für die verschiedenen Kapitalmärkte und Anlageklassen gebildet.